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Nachahmung und Vorstellung
Für Platon ist die Kunst meist minderwertig, weil sie die Dinge bzw. deren sinnliche Erscheinung nachahmt, die wiederum selbst nur Nachahmungen von Ideen sind. Die Kunst ist demgemäß nur die Abbildung eines Abglanzes. Gleichwohl aber betont er die Gestaltungsfähigkeit der Kunst und macht deutlich, dass die Kunst in der Lage ist, Kräfte freizusetzen, die die bestehende Ordnung verändern können. Hier setzt Aristoteles Kritik oder besser, seine Erweiterung des Modells an. Die Kunst ist nicht Nachbildung einer faktischen Gegebenheit, sondern ein wertfreies Gestalten von Alternativen, mithin ein prozessuales Verfahren.
Katrin Roeber selbst beschreibt ihr künstlerisches Interesse als Prozess. Es ist ein gestalterischer Prozess, der sich augenscheinlich auf die Interdependenz von Motiv und Gestaltung richtet. Dabei lässt sich der motivische Bezug in ihren Bildern zunächst als Nachahmung, meist sogar als doppelte Nachahmung bezeichnen; ihre Gestaltung hingegen, die nicht faktisch oder mimetisch angelegt ist, fürt zu einem Spiel mit Bildern und einer Reflexion über deren Wirkungskraft. Die im Kunstwerk durch die spezifische Gestaltung angelegte Interdependenz, schafft im Bild bzw. durch dessen Wahrnehmung einen Zwischenraum und damit die Möglichkeit einer sinnlichen Erfahrung und Erkenntnis.
Ein Elefant, dessen Rücken von einem Wärter geschrubbt wird, ein Nashorn, dessen Hufe gesäubert werden oder der Blick auf Besucher und das Rund eines Seehundbeckens. Die neuen Arbeiten von Katrin Roeber beziehen sich, wie schon die Serie aus dem Jahr 2005, auf Motive aus Zoologischen Gärten. Alle Arbeiten, bis auf die Vorstudien genannten Kohlezeichnungen, sind Collagen. Schon die Technik beinhaltet durch die Verbindung unterschiedlicher Elemente in sich das Moment der Differenz zwischen Motiv und Gestaltung, durch die, wie Max Ernst ausdrückt, ein Freiraum entsteht: "Collage-Technik ist die systematische Ausbeutung des zufälligen oder künstlich provozierten Zusammentreffens von zwei oder mehr wesensfremden Realitäten (...) und der Funke Poesie, welcher bei der Annäherung dieser Realitäten überspringt."
Die Unterschiedlichkeit der Serien begründet sich zum einen in den jeweiligen Vorlagen, zum anderen in der Verwendung von gefundenen Materialien. Katrin Roeber geht von verschiedenen fotografischen Vorlagen aus, die sie, wie die Vorstudien zeigen, zunächst einer kompositorischen Reflexion, wie z. B. ihrer Licht- und Schattenverhältnisse, unterzieht. Auf dieser Grundlage entwirft sie ihre experimentellen Collagen aus gefundenen, bemalten, bezeichneten und beschnittenen Papieren mit verschiedener haptischer und visueller Charakteristik. Der konzentrierte Eindruck der Bilder seit 2007 entsteht dadurch, dass sie hier Ausschnitte verschiedener Zeichnungen wählt, wie z. B. von Leonardo in "Elefanten" oder von Seurat in "Nashorn". Im Vordergrund steht dabei allerdings in beiden Serien nicht das Zitat, sondern die Anwendung der Elemente als eine malerische Faktur analog zu den gezeichneten Schraffuren oder den Oberflächen von Acryl- oder Ölfarbe. Ziel ist eine lebendig verschlungene Komposition, in der sich Material und Gegenstand ergänzen wie kontrastieren, um eine Bildlichkeit zu gewinnen, die faktisch weit über das Motiv hinausgeht. Es sind experimentell gewonnene Alternativen zu einer rein wieder erkennenden Sicht.
Die komplexe, manchmal labyrinthische Komposition der Elemente führt zu einer Dynamisierung und Transformation des Motivs bis hin zum Fantastischen. Die Gestaltung evoziert ein Gefühl surrealer Erlebnisse; es entsteht ein ungewohntes Bild, welches die herkömmliche Sehordnung erweitert. Die Bildwelten von Katrin Roeber werden dadurch zu Initiatoren neuer Sichtweisen. Ihre Bilder sind so auch mögliche Entwürfe zur Befragung der Realität. Nicht die Nachahmung einer Idee ist das Ziel ihrer Kunst, sondern die Entdeckung neuer Vorstellungen der Wirklichkeit.
Erik Schönenberg
About my pictures
My collage-works are sampled with found materials, drawing and painting. Found Material is mostly photographic as pictures from magazines, films for lithography and from advertisement. I transform their shapes by cutting out but preserve their surface. This is why some surreal effects appear like the structure of wood that suddenly appears like hair. These separate parts are connected with painted papers to another picture and completed by drawings with oil-chalk.
So the character of paper changes from being a colour on its own, being a background for transparent colours, and being a background for sticking images.
Zapping between these three opposite possibilities I try to get familiar with complex aspects of my environment. I’m interested in human relations like “the group and the individual” and “men and nature“. So I create the compositions of my pictures from photography for example of people who relax in public gardens, or meet in a group.. Reliance and dependence are always in conflict with each other and their importance is changing with point of view. During my work I’m often surprised how material and theme support each other and transform their first meaning into a picture that evokes a feeling I couldn’t have described before.
My main aim is not the finished picture but the process of developing an attitude towards the questions I ask myself. I always hope that people get involved in this process by looking at my pictures.
Katrin Roeber
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